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Da lachen ja die Hühner
Wie sechs Hühner als tierische Therapeuten das Leben in und um das Diakonie Hospiz Waltersdorf bereichern. Ein Beitrag von Walther Seiler, Geschäftsführer des Diakonie Hospiz Woltersdorf, im Bundes-Hospiz-Anzeiger.
Das Diakonie Hospiz Waltersdorf mit seinen 14 Plätzen liegt eingebettet in die schöne Landschaft des Kalksees nahe der Woltersdorfer Schleuse. Seit über fünf Jahren bieten wir unseren Hospizgästen ein letztes Zuhause in dieser ländlich geprägten Gegend. Die Gestaltung unseres großzügigen Gartens sollte von Anfang an diesen Charakter widerspiegeln. So entstand im Lauf der Zeit der Gedanke, auch Tiere bei uns wohnen zu lassen. Die se sollten nicht nur eine willkommene Abwechslung für unsere Gäste im Hospizalltag sein, sondern auch therapeutische Wirkung entfalten.
Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen der Amerikaner Boris M. Levinson durch Studien die tiergestützte Therapie wissenschaftlich erforschte, ist anerkannt, dass der Einsatz von Tieren in unterschiedlichen therapeutischen Settings vielen Klient*innen einen echten Gewinn bringt. Von Anfang an hatten wir deshalb im Hospiz einen Hundebesuchsdienst integriert. Bei der Frage nach weiteren tierischen Freunden fiel dann die Wahl auf unsere Hühner. In meiner bisherigen Tätigkeit hatte ich bereits mehrfach gute Erfahrungen mit Hühnern als therapeutische Begleiter gemacht. Doch erst musste Überzeugungsarbeit geleistet werden, ob das auch wirklich gelingen kann. Beim Team, bei den Ehrenamtlichen und den begleitenden Fachleuten aus Hygiene oder Haustechnik.
Viele Fragen haben uns bewegt:
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Wie zahm werden diese Tiere und wie können wir sie mit unseren Gästen zusammenbringen?
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Wer versorgt sie?
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Welche behördlichen Auflagen gibt es?
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Was ist für das Wohl der Tiere zu beachten?
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Was haben wir von der Nachbarschaft zu erwarten?
So bot es sich an, das Projekt zunächst einmal mit „Leihhühnern" zu testen. Von einem pfiffigen Anbieter konnten wir für vier Wochen Hühner samt Stall und Zubehör mieten, um danach besser entscheiden zu können, ob wir uns die Hühnerhaltung auch auf lange Sicht vorstellen können. Kurz nach Einzug unserer Miethühner war klar: Das wollen wir dauerhaft. Wir erlebten keine „dummen Hühner", sondern intelligente, charmante Hennen. Auf den stolzen Gockel haben wir mit Rücksicht auf unsere Nachbarschaft von Anfang an verzichtet. Und als wir verstanden haben, wie ansteckend es sein kann, wenn mit eifrigem Gegacker eine neue Runde „Da lachen ja die Hühner" eingeleitet wird, und wie ansteckend dieses Lachen sein kann, gingen wir in die konkreten Planungen eines eigenen Hühnergeheges.

Neben der Spendenunterstützung durch das Diakonische Werk und unseren Förderverein Polarstern e.V. war es von Vorteil, bereits hühnererfahrene Kolleginnen zu haben. Den Stall baute ein Ehrenamtlicher nach dem Bauplan eines befreundeten Zimmermanns aus dem Schwarzwald. Die Hühnerauswahl überließen wir der erfahrenen Kollegin, die den jeweiligen Charakter der verschiedenen Arten gut einschätzen konnte. Die Fragen rund um Futter und Zubehör waren schnell geklärt und die Meldung bei der Behörde rasch erledigt. Jetzt mussten wir nur noch genug ehrenamtliche „Hühnerpat*innen" finden. Auch das haben wir geschafft und sie sind uns bis heute treu. Sie übernehmen ab wechselnd mehrmals im Jahr jeweils eine Woche täglichen Hühnerdienst - mit allem, was dazu gehört: Vom Ausmisten über das Füttern bis hin zum Eier entnehmen. Übrigens war das erste Rührei aus dem Stall der Hospizhühner für unseren damaligen Gast ein echtes kulinarisches Highlight.
Mittlerweile leben unsere Hühner seit über zwei Jahren bei uns. Auch gab und gibt es immer wieder Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören sinnloser Vandalismus oder der Angriff von Raubtieren ebenso wie die Intelligenz der Hühner, die jedes Loch im Zaun für eigene Ausflüge nutzen oder einfach ihre Federn geschickt einsetzen, um darüber zu fliegen.
Was überwiegt, sind jedoch die positiven Erfahrungen. Unser Hühnergehege grenzt direkt an unseren „Marktplatz" an, der ein beliebter Treffpunkt im Hospiz-Garten ist. Unsere Gäste nutzen dieses Areal gerne, um das rege Treiben der Hühner zu beobachten. Angehörige werden nach einem viel leicht herausfordernden Besuch abgelenkt und erleben die beruhigende Atmosphäre des Hühnergeheges. Kin der, die zu Besuch kommen, freuen sich über die unerwartete Attraktion. Und immer wieder kommt es auch zu sehr persönlichen Begegnungen. Ein älterer Hospizgast wünschte sich ein Huhn auf dem Schoß halten zu dürfen. Die mittlerweile zahmen Tiere ermöglichen auch solche Begegnungen. Als er das Huhn bei sich hatte, streichelte er es behutsam, was das Huhn auch sichtlich genoss. Er erzählte von seiner behüteten Kindheit auf einem Hof und man konnte erahnen, wie die Erinnerung an die Kindheitstage seiner Seele guttat.
Aber nicht nur die Gäste und An gehörige, auch viele Mitarbeitende erfreuen sich an unseren Hühnern, die schon beim Ankommen auf dem Gelände einen so freundlichen Empfang bereiten: Sei es durch lautes Gackern, das wunderschöne Schauspiel des Sandbadens oder einfach durch ihre so unterschiedliche Pracht, die sie alle zu einem echten Hingucker macht.
Literatur
Mit Tieren therapeutische Ziele verbessern, Springer Pflege Praxis. 2023-06-16, Ausgabe 76, S. 19 - 22, https://link.springer.com/article/10.1007/s41906-023-2095-5
Hühner in der Therapie, 2022, https://www.landtiere.de/huehner/huehner-therapie-hilfe-menschen-erkrankung-pflegeheim-senioren-entspannung-wohlbefinden-91222494.html
Hühner halten im eigenen Garten, Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, https://www.landwirtschaft.de/garten/selbst-anbauen/tiere-halten/huehner-halten-im-eigenen-garten
Quelle
Der Bundes-Hospiz-Anzeiger (BHA) informiert sechs Mal im Jahr zu je einem Schwerpunkt praxisorientiert über Entwicklungen in der deutschen und internationalen Hospizarbeit und Palliativversorgung.
Zur Ausgabe 03/2025 mit dem Schwerpunktthema Tiergestützte Therapien